Montag, 28. November 2011

Des Castors Kern – das eigentliche Problem der Endlagersuche

Seit Jahrzehnten sind wir in Deutschland auf der Suche nach einem geeigneten Endlager für unseren Atommüll. Dass es nie eine gesellschaftlich akzeptierte Lösung gab, zeigen die Proteste von Gorleben 2011. Auch die neue, „ergebnisoffene“ Endlagersuche wird nur zu einer befriedigenden Lösung kommen, wenn die richtigen Fragestellungen gelöst werden.


By Benedikt.Seidl CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0
Als in Deutschland 1957 der Forschungsreaktor Garching in Betrieb ging, schloss unsere Gesellschaft einen Vertrag. Dieser lautete, unsere Energieprobleme zu lösen und dafür den nachfolgenden Generationen langfristig den Müll zu hinterlassen. Nun ist es zu spät, nun wird eine Lösung für das Endlagerproblem gefunden werden müssen. Wir müssen uns nur noch darum streiten, wie sie aussehen soll.



Das Grundproblem



Bei dem so genannten Atommüll handelt es sich um Materialien, die entweder von sich aus radioaktiv sind, oder mit solchen Stoffen kontaminiert wurden und nicht weiterverwendet werden können. Je nach Art des radioaktiven Materials, wird die Gefährlichkeit des Mülls durch die Halbwertszeit und der Menge der zerfallenden Isotope bestimmt. Im Falle des Atommülls von Gorleben dürfte das Isotop, das am längsten gelagert werden muss, Plutonium 239 sein. Es hat eine Halbwertszeit von ca. 24.110 Jahren. Das bedeutet, nach ca. 24.000 Jahren ist nur noch die Hälfte des ursprünglich eingelagerten Plutoniums vorhanden. Anhand der Menge des Plutoniums kann man nun berechnen, wie lange der Atommüll gelagert werden muss, bis von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Experten schätzen, dass der hochradioaktive Müll, der in Gorleben im Zwischenlager steht, ca. 1 Mio. Jahre gelagert werden muss. Für das Grundproblem ist es derzeit irrelevant, wie lange er gelagert werden muss, da alle diskutierten Zeiträume unsere Vorstellungskraft übersteigen.



Wir suchen einen Ort in Deutschland, an dem wir den Atommüll, sicher vor dem Zugriff Unbefugter, für einen uns nicht vorstellbaren Zeitraum, lagern können.



Dieser Ort, soll einerseits die nachfolgenden Generationen vor der radioaktiven Strahlung schützen und andererseits die nachfolgenden Generationen daran hindern, das enthaltene waffenfähige Material zu entwenden.



Bisherige Herangehensweise



Bisher hat man versucht, das oben beschriebene Grundproblem mit naturwissenschaftlichen Methoden zu lösen. Da man sich in geologisch relevanten Zeiträumen bewegt, suchte man eine geologisch möglichst stabile Gesteinsformation, in die man den Müll verbringen könnte. In Deutschland gibt es drei Alternativen: Salz, Ton und Granit. Bisher galt aus zwei Gründen Salz, als die geeignetste geologische Formation. Salz hat die Eigenschaft, die eingelagerten Behälter fest zu umschließen, sodass es nur mit erheblichem technischen Aufwand möglich ist, diese wieder zu bergen. Der zweite Grund war, große Salzvorkommen lagern in der Nähe der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Das waren einerseits strukturschwache Regionen und andererseits lagen sie schön dicht am Erzfeind. Nach dem Fall der Mauer, sieht das nun wieder ganz anders aus. Andere geeignete Formationen hat man bisher nicht erkundet. Granit gibt es in signifikanter Menge nur in Bayern und nach Einschätzung der dortigen Landesregierung sei der Sockel des Alpenvorlandes viel zu porös um dort Atommüll einzulagern. Ton wiederum gibt es auch in Baden Württemberg. Doch da ist die Erdbebengefahr recht hoch.



Gegen die Einlagerung im Salz sprechen, wie mittlerweile bekannt ist, erhebliche Argumente. Die Einlagerung in das „Versuchsendlager“ Asse hat gezeigt, dass, falls Wasser in den Salzstock eintritt, es das Salz löst und Salzlauge entsteht. Auf wundersame Weise greift diese Salzlauge nun die Behälter an, in denen der Müll lagert. Nun erweist sich auch die Tatsache, dass der Müll nicht rückholbar gelagert wurde, als Nachteil. Das „Versuchsendlager“ wurde Anfang der siebziger Jahre in Betrieb genommen. Die Auswahl geschah nach damaligen neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Heute, 40 Jahre später, müssen wir nun dringend lernen, wie man nicht rückholbar gelagerten Atommüll doch zurückholt. Offensichtlich ist die Endlagerung im Salz doch nicht so einfach, wie man dachte.



Wir stehen heute wieder am Anfang bei der Lösung unseres Grundproblems, nämlich den Atommüll „für die Ewigkeit“ sicher zu lagern. Dieses Problem ist mit der Naturwissenschaft nicht zu lösen.



Hätte man im Jahre 1011 einen Weisen gefragt, wie man Müll für die Ewigkeit sicher wegpacken sollte, hätte man nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sicher den Rat bekommen, das Zeug in ein Boot zu packen und über den Rand der Welt hinaus zu segeln. Denn Eines war damals sicher. Die Welt ist eine Scheibe. Und nun suchen wir heute mit unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Lagerung, die für die nächsten 1 Mio. Jahre sicher ist. - Mit der bisherigen Methode haben wir gerade mal 40 Jahre geschafft.



Des Pudels (Castors) Kern



Das eigentliche Problem ist nicht naturwissenschaftlicher Art, es handelt sich vielmehr um ein philosophisches Problem.



Grundsätzlich haben wir drei Lösungsmöglichkeiten:



  1. Wir vernichten das Zeug, was nach unserem Stand der Technik bedeutet, wir schießen es in die Sonne. Das birgt allerdings einige unverantwortliche Risiken für uns.
  2. Wir packen es so weg, dass nach menschlichem Ermessen keiner dran kommt und vergessen das Zeug.
  3. Wir packen es so weg, dass wir jederzeit dran kommen und arbeiten an einer Lösung.



Dieses Dilemma ist nicht neu, schon Stanislaw Lem, ein Altmeister der Science Fiktion beschäftigte sich damit. Er schlug vor, Blumen zu züchten, die auf radioaktive Strahlung mit Farbveränderung reagieren. Sicher kein abwegigerer Lösungsvorschlag, als die derzeit diskutierten. Vergegenwärtigen wir uns, wir sprechen nicht von 50 oder 100 Jahren, sondern von Jahrzehntausenden.



Das philosophische Grundproblem, das wir haben, ist ein Vertrauensproblem. Vertrauen wir unseren x-fach Urenkeln, dass sie verantwortungsvoll mit unserem Erbe umgehen und nicht in einigen Jahrhunderten vergessen, woraus der Müll besteht, oder vertrauen wir der Naturwissenschaft, dass uns eine Fehleinschätzung, wie die in Asse, nicht noch einmal unterläuft.



Oder anders formuliert, glauben wir daran, dass wir jetzt einen Ort finden, der für alle Zeiten von jeglichem Unbill geschützt ist, oder vertrauen wir unseren Nachfahren.



Für die gesellschaftliche Akzeptanz eines endgültigen Zwischenlagers ist der Glaube an die Unfehlbarkeit der, auf wissenschaftlichen Fakten basierenden Entscheidung, notwendig. Es ist zweifelhaft ob dies erreicht werden kann.



Eine andere Lösung wäre, die transparente Suche nach einem langfristigen Zwischenlager. Die gefundene Lösung muss von einem gesellschaftlichen Kompromiss getragen werden.

UPDATE 28.11.11: Was unbedingte Voraussetzung für eine gelingende, offene Endlagersuche ist, ist, dass man es so nicht macht:


Video ZDF Interview mit Gerd Lüttig

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