By Benedikt.Seidl CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 |
Als
in Deutschland 1957 der Forschungsreaktor Garching in Betrieb ging,
schloss unsere Gesellschaft einen Vertrag. Dieser lautete, unsere
Energieprobleme zu lösen und dafür den nachfolgenden Generationen
langfristig den Müll zu hinterlassen. Nun ist es zu spät, nun wird
eine Lösung für das Endlagerproblem gefunden werden müssen. Wir
müssen uns nur noch darum streiten, wie sie aussehen soll.
Das
Grundproblem
Bei
dem so genannten Atommüll handelt es sich um Materialien, die
entweder von sich aus radioaktiv sind, oder mit solchen Stoffen
kontaminiert wurden und nicht weiterverwendet werden können. Je nach
Art des radioaktiven Materials, wird die Gefährlichkeit des Mülls
durch die Halbwertszeit und der Menge der zerfallenden Isotope
bestimmt. Im Falle des Atommülls von Gorleben dürfte das Isotop,
das am längsten gelagert werden muss, Plutonium 239 sein. Es hat
eine Halbwertszeit von ca. 24.110 Jahren. Das bedeutet, nach ca.
24.000 Jahren ist nur noch die Hälfte des ursprünglich
eingelagerten Plutoniums vorhanden. Anhand der Menge des Plutoniums
kann man nun berechnen, wie lange der Atommüll gelagert werden muss,
bis von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Experten schätzen, dass der
hochradioaktive Müll, der in Gorleben im Zwischenlager steht, ca. 1
Mio. Jahre gelagert werden muss. Für das Grundproblem ist es derzeit
irrelevant, wie lange er gelagert werden muss, da alle diskutierten
Zeiträume unsere Vorstellungskraft übersteigen.
Wir
suchen einen Ort in Deutschland, an dem wir den Atommüll, sicher vor
dem Zugriff Unbefugter, für einen uns nicht vorstellbaren Zeitraum,
lagern können.
Dieser
Ort, soll einerseits die nachfolgenden Generationen vor der
radioaktiven Strahlung schützen und andererseits die nachfolgenden
Generationen daran hindern, das enthaltene waffenfähige Material zu
entwenden.
Bisherige
Herangehensweise
Bisher
hat man versucht, das oben beschriebene Grundproblem mit
naturwissenschaftlichen Methoden zu lösen. Da man sich in geologisch
relevanten Zeiträumen bewegt, suchte man eine geologisch möglichst
stabile Gesteinsformation, in die man den Müll verbringen könnte.
In Deutschland gibt es drei Alternativen: Salz, Ton und Granit.
Bisher galt aus zwei Gründen Salz, als die geeignetste geologische
Formation. Salz hat die Eigenschaft, die eingelagerten Behälter fest
zu umschließen, sodass es nur mit erheblichem technischen Aufwand
möglich ist, diese wieder zu bergen. Der zweite Grund war, große
Salzvorkommen lagern in der Nähe der ehemaligen innerdeutschen
Grenze. Das waren einerseits strukturschwache Regionen und
andererseits lagen sie schön dicht am Erzfeind. Nach dem Fall der
Mauer, sieht das nun wieder ganz anders aus. Andere geeignete
Formationen hat man bisher nicht erkundet. Granit gibt es in
signifikanter Menge nur in Bayern und nach Einschätzung der dortigen
Landesregierung sei der Sockel des Alpenvorlandes viel zu porös um
dort Atommüll einzulagern. Ton wiederum gibt es auch in Baden
Württemberg. Doch da ist die Erdbebengefahr recht hoch.
Gegen
die Einlagerung im Salz sprechen, wie mittlerweile bekannt ist,
erhebliche Argumente. Die Einlagerung in das „Versuchsendlager“
Asse hat gezeigt, dass, falls Wasser in den Salzstock eintritt, es
das Salz löst und Salzlauge entsteht. Auf wundersame Weise greift
diese Salzlauge nun die Behälter an, in denen der Müll lagert. Nun
erweist sich auch die Tatsache, dass der Müll nicht rückholbar
gelagert wurde, als Nachteil. Das „Versuchsendlager“ wurde Anfang
der siebziger Jahre in Betrieb genommen. Die Auswahl geschah nach
damaligen neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Heute, 40 Jahre
später, müssen wir nun dringend lernen, wie man nicht rückholbar
gelagerten Atommüll doch zurückholt. Offensichtlich ist die
Endlagerung im Salz doch nicht so einfach, wie man dachte.
Wir
stehen heute wieder am Anfang bei der Lösung unseres Grundproblems,
nämlich den Atommüll „für die Ewigkeit“ sicher zu lagern.
Dieses Problem ist mit der Naturwissenschaft nicht zu lösen.
Hätte
man im Jahre 1011 einen Weisen gefragt, wie man Müll für die
Ewigkeit sicher wegpacken sollte, hätte man nach neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnissen sicher den Rat bekommen, das Zeug in
ein Boot zu packen und über den Rand der Welt hinaus zu segeln. Denn
Eines war damals sicher. Die Welt ist eine Scheibe. Und nun suchen
wir heute mit unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Lagerung,
die für die nächsten 1 Mio. Jahre sicher ist. - Mit der bisherigen
Methode haben wir gerade mal 40 Jahre geschafft.
Des
Pudels (Castors) Kern
Das
eigentliche Problem ist nicht naturwissenschaftlicher Art, es handelt
sich vielmehr um ein philosophisches Problem.
Grundsätzlich
haben wir drei Lösungsmöglichkeiten:
- Wir vernichten das Zeug, was nach unserem Stand der Technik bedeutet, wir schießen es in die Sonne. Das birgt allerdings einige unverantwortliche Risiken für uns.
- Wir packen es so weg, dass nach menschlichem Ermessen keiner dran kommt und vergessen das Zeug.
- Wir packen es so weg, dass wir jederzeit dran kommen und arbeiten an einer Lösung.
Dieses Dilemma
ist nicht neu, schon Stanislaw Lem, ein Altmeister der Science
Fiktion beschäftigte sich damit. Er schlug vor, Blumen zu züchten,
die auf radioaktive Strahlung mit Farbveränderung reagieren. Sicher
kein abwegigerer Lösungsvorschlag, als die derzeit diskutierten.
Vergegenwärtigen wir uns, wir sprechen nicht von 50 oder 100 Jahren,
sondern von Jahrzehntausenden.
Das
philosophische Grundproblem, das wir haben, ist ein
Vertrauensproblem. Vertrauen wir unseren x-fach Urenkeln, dass sie
verantwortungsvoll mit unserem Erbe umgehen und nicht in einigen
Jahrhunderten vergessen, woraus der Müll besteht, oder vertrauen wir
der Naturwissenschaft, dass uns eine Fehleinschätzung, wie die in
Asse, nicht noch einmal unterläuft.
Oder anders
formuliert, glauben wir daran, dass wir jetzt einen Ort finden, der
für alle Zeiten von jeglichem Unbill geschützt ist, oder vertrauen
wir unseren Nachfahren.
Für die
gesellschaftliche Akzeptanz eines endgültigen Zwischenlagers ist der
Glaube an die Unfehlbarkeit der, auf wissenschaftlichen Fakten
basierenden Entscheidung, notwendig. Es ist zweifelhaft ob dies
erreicht werden kann.
Eine andere
Lösung wäre, die transparente Suche nach einem langfristigen
Zwischenlager. Die gefundene Lösung muss von einem
gesellschaftlichen Kompromiss getragen werden.
UPDATE 28.11.11: Was unbedingte Voraussetzung für eine gelingende, offene Endlagersuche ist, ist, dass man es so nicht macht:
Video ZDF Interview mit Gerd Lüttig
UPDATE 28.11.11: Was unbedingte Voraussetzung für eine gelingende, offene Endlagersuche ist, ist, dass man es so nicht macht:
Video ZDF Interview mit Gerd Lüttig
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